Raumgestaltung für Kollaboratives Lernen und Arbeiten sowie Digitale Innovationen
„Neues Lernen“ umfasst ein ganzes Bündel an Veränderungen:
- neue Methoden, auch dank des Einsatzes digitaler Lernumgebungen
- neue Fragestellungen
- Veränderungen der sozialen Lernformen
Ein Nischenthema in der Debatte ist die Anpassung der Lernräume, also der Umgebung, in der wir lernen – und aufgrund des prägenden, stets mitzudenkenden Einflusses des Raumes, der uns umgibt, ist es zugleich ein Querschnittsthema. Es ist leicht zu beobachten: In Hörsälen mit fest verschraubten Klappstühlen und einer Akustik, die auf die Dozierenden ausgerichtet ist, lernen wir anders und sind wir anders aufmerksam als in Räumen, die für mehrere Kleingruppen bequeme Sitzgelegenheiten anbieten, auf denen man seine Haltung wechseln kann, die Elemente für hybride Arbeitsweisen integrieren können und in denen produktives Gemurmel das eigene Sprechen zwar unterlegt, aber es nicht anstrengend macht. Neues Lernen braucht flexible und anpassungsfähige Arbeitsumgebungen; für Lernumgebungen für Kinder sprach Loris Malaguzzi auch vom Raum als „drittem Pädagogen“.[1]
Mit der Planung und Ausstattung solcher neuer Lernräume befasse ich mich. Im folgenden teile ich vier Prinzipien, die mich in meiner Arbeit leiten.
[1] Siehe Der Raum als "dritter Pädagoge": Über neue Konzepte im Schulbau | Lernorte | bpb.de.
Optimierung von Designprinzipien: Die Integration von 'Ich' und 'Wir'
Die Betonung der Balance zwischen individuellen und gemeinschaftlichen Arbeitsphasen und damit auch -bereichen ist besonders relevant. Diese Dualität spiegelt die Bedürfnisse von Lernenden ebenso wie von Erwerbstätigen wider, die sowohl persönliche Arbeitsorte zur Konzentration und Fokussierung als auch kollaborative Räume zum Austausch und zur Interaktion benötigen. In der neuen Lernwelt, die sich durch eine zunehmende Verschmelzung von individuellen und kollektiven Arbeitsprozessen auszeichnet, stellt die Integration von 'Ich' und 'Wir' in die Designprinzipien von Arbeits- und Lernumgebungen ein besonderes Desiderat dar. Die Balance zwischen Arbeitsbereichen, die individuelles, fokussiertes Arbeiten ermöglichen, und gemeinschaftlichen Bereichen, die den Austausch von Ideen und kollektive Kreativität sowie Peer-to-Peer-Lernformate fördern, ist ein Bedürfnis gerade in Hochschulumgebungen – dort werden gemeinschaftliche und interdisziplinäre Lernprozesse intensiviert, doch Prüfungen und Leistungsmessung weiterhin individuell absolviert.
Flexible Raumgestaltung für dynamisches Lernen und gemeinschaftliches Engagement
Diese Dualität spiegele sich in der Raumgestaltung wider. Auf einer weiteren Ebene bringt sie auch die dynamischen Anforderungen an das Lernverhalten von Studierenden und Promovierenden zum Ausdruck, die im Lernumfeld Flexibilität und Anpassungsfähigkeit nicht nur aufgrund ihrer Bedürfnisse, sondern auch aufgrund der Aufgabenstellung und des oft agilen Forschungsdesigns suchen. Indem sowohl individuelle als auch gemeinschaftliche Bedürfnisse berücksichtigt werden, entstehen Arbeitsumgebungen, die nicht nur die Produktivität steigern, sondern auch die Zufriedenheit und das Engagement der Lernenden fördern. Dieses Konzept geht über traditionelle Designs von Hörsälen und Seminarräumen hinaus und bietet einen frischen, transferfähigen Ansatz, der die sich verändernden Lernweisen und -stile in der vernetzten und dynamischen Arbeitswelt außerhalb der Hochschulen berücksichtigt.
Fokus auf Nachhaltigkeit und Wohlbefinden
Die Integration von Ökologie und Sozialverantwortung in Lernumgebungen
Die nachhaltige Gestaltung von Lernumgebungen, die sowohl ökologische als auch soziale Verantwortung berücksichtigt, ist ein weiterer Aspekt. Die Daten zu Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit in Hochschulen sind Euch bei THESIS e.V. ja gut bekannt; mein Vorschlag ist, auch die Raumgestaltung und Ästhetik der akademischen Lern- und Arbeitsorte in das Thema Mental Health einzudenken. Die Grundelemente sind eine gute Luftqualität, ausreichend natürliches Licht und eine angepasste Raumakustik. Hier wird schnell deutlich, dass Wohlbefinden und Ökologie miteinander verschränkt sind: Diese Elemente brauchen durchdachte Beleuchtungs-, Heizungs- und Kühlungssysteme. Damit sind wir schon bei der Auswahl von Lösungen, die energieeffizient und ökologisch nachhaltig sind.
Nachhaltige Materialien und Ressourcen
Auf die Grundelemente satteln umweltfreundliche und ansprechende Materialien und Ressourcen auf. Baumaterialien und Möbel stammen nicht nur aus nachhaltigen Quellen, sondern weisen eine geringe Umweltbelastung auf und sind recycelbar – Möbel können sogar aus dem Material des Altbestand gebaut werden, was sowohl die Kosten senkt als auch den Nachhaltigkeitsgedanken konsequent anwendet. Weiterhin sollten die Möbel so ausgewählt werden, dass sie keine körperlichen Beschwerden verursachen. Hinzu kommen Gestaltungselemente die das mentale Wohlbefinden und damit auch die Lerneffizienz steigern, Tageslicht selbstverständlich, und auch Pflanzen. Letztlich kamen lange Jahre Bereiche für Entspannung und Erholung in den Hochschulen zu kurz, obwohl bekannt ist, dass viele Studierende oder auch Konferenzteilnehmende ihre gesamten Tage dort verbringen.
Langlebigkeit und Flexibilität
Eine nachhaltige Gestaltung berücksichtigt zudem die Langlebigkeit und Flexibilität der Räume. Es wird Wert darauf gelegt, dass die gestalteten Umgebungen auch zukünftigen Anforderungen standhalten und sich anpassen können, ohne dass stets eine komplette Neugestaltung notwendig wird.
In diesen Beispielen sehen wir Arbeitsplätze für Kleingruppenarbeit. Sie bieten mit unterschiedlichen Möbeln variierende Sitz- und Stehhaltungen an. Gut zu erkennen ist die Integration von Pflanzen und die Öffnung des Arbeitsraumes, sodass Tageslicht einfallen kann. Tische und Stühle sind aus dem Material alter Möbel gefertigt. Einige Tische und Sofas sind mit Rollen ausgestattet, sodass die Räume für unterschiedliche Sozialformate rasch umgestaltet werden können.
Raumakustik
Die Sehnsucht nach Ruhe wächst, während das Leben um uns herum immer hektischer und unruhiger wird.
Anpassungsfähigkeit an technologische und gesellschaftliche Veränderungen
In einer Zeit, in der der technologische Fortschritt und der Wandel gesellschaftlicher Werte rasant voranschreiten, ist es unerlässlich, flexible und dynamische Räume zu schaffen, die in der Lage sind, sich wiederholt an neue Technologien und veränderte Arbeitsweisen anzupassen. Die Integration digitaler Technologien in die physische Arbeitsumgebung ist entscheidend, um nahtlose Verbindungen zwischen digitalen und physischen Arbeitsprozessen zu ermöglichen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Gestaltung der Arbeitsumgebung die sich wandelnden gesellschaftlichen Werte, wie Diversität, Inklusion und Nachhaltigkeit, widerspiegelt und fördert.
Dieses Bild zeigt sowohl die Integration von digitalen Komponenten in die Lernumgebung als auch die Berücksichtigung unterschiedlicher Sitzbedürfnisse und schließlich sogar einen Tischanordnung, die zu den didaktischen Methoden „Fishbowl“ oder Expert:innendiskussion (Mitte) mit Plenum (außen) einlädt.
Design für Neubeginn
Vorausschauende Raumgestaltung für Innovation und Entwicklung
Wenn wir darüber sprechen, Räume zu schaffen, die Innovation und Kreativität fördern, denken wir über den aktuellen Gebrauch hinaus und berücksichtigen auch zukünftige Entwicklungen und Anforderungen, kurz: Wir planen und gestalten Lernräume vorausschauend. Das „Design für Neubeginn“ hebt die Bedeutung der Gestaltung von Arbeits- und Lernumgebungen hervor, die nicht nur den aktuellen Anforderungen gerecht werden, sondern auch die Grundlage für zukünftiges Wachstum und Entwicklung bieten. In einer sich ständig wandelnden Welt ist es entscheidend, dass Räume so konzipiert sind, dass sie Veränderungen nicht nur zulassen, sondern diese aktiv unterstützen und fördern.
In diesem Beispiel ist die Antwort ganz augenscheinlich, indem die Möbel eben „Mobilien“ sind – auf Rollen, modular, immer wieder neu kombinierbar und im Raum anzuordnen.
Innovative Raumgestaltung für zukünftige Lernprozesse
Arbeits- und Lernumgebungen in Hochschulen sind nicht einfach gegebene Settings; sie können geplant und gestaltet werden. Gerade weil nach den Pandemie-Jahren eine Rückkehr in die Präsenz gewünscht und forciert wird, können wir fragen, wie wir die Qualität der Präsenz wahrnehmen und für zukünftige Lernprozesse weiterentwickeln wollen. Eine innovative Anpassung der Lernräume findet sowohl in anderen europäischen Ländern, etwa den Niederlanden, ebenso wie in ausgewählten deutschen Hochschulen bereits statt. Es lohnt sich, den positiven Einfluss der Raumgestaltung auf das Lernen und Arbeiten unter Leistungsbedingungen ernst zu nehmen und für das eigene Lernen und Arbeiten sowie das der eigenen Teams zu nutzen.
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